Agilität und Politik

Agilität und Politik

Agilität und Politik sind zwei Wörter zwischen denen man auf den ersten Blick keine sonderlich große Verbindung erkennt. Wenn wir an Politik denken, sehen wir vor allem strikt einzuhaltende Verfahren bzw. Protokolle und die fehlende Fähigkeit sich der schnell wandelnden Umwelt anzupassen. 

Würden wir hier über ein Unternehmen sprechen, sind wir uns sicher, dass nach kürzester Zeit einige mit dem Vorschlag einer agilen Transformation aufwarten würden. Es finden sich schließlich alle typischen Merkmale, die nach einer solchen Transformation rufen: Ein Markt, der sich immer schneller verändert, Nutzer die häufig ihre Unzufriedenheit kundtun, sowie die Effizienz und der Output die hinter den Erwartungen zurückbleiben.  

Wieso also hört man solche Vorschläge nur so selten in der Politik? Ist es vielleicht an der Zeit unsere liebgewonnene und geschätzte soziale Marktwirtschaft weiterzuentwickeln? Keine Angst, es geht dabei nicht darum sie in Gänze abzuschaffen. Wir sehen das eher wie Churchill: “Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.”

Wenn wir die Regierungen betrachten, die das Produkt “soziale Marktwirtschaft” baut und ausliefert, dann fallen uns sofort viele positive Punkte auf. Wir haben ein funktionierendes Gesundheitssystem, ein funktionierendes (aber nicht zeitgemäßes) Schulsystem, ein hohes Maß an Rechtssicherheit, einen Rahmen, der eine der fünf großen Volkswirtschaften dieser Erde beheimatet und eine überzeugte Nutzerschaft hinter dem Produkt selbst. 

Allerdings würden uns auch sofort Handlungspotentiale auffallen - vor allem im Bereich der Zukunftsfähigkeit. Das betrifft das Bildungssystem, die (nachhaltige) wirtschaftliche Entwicklung, den Umweltschutz, das Thema Wohnen in der Republik und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. 

Unser mehrkammeriges System scheint gerade bei diesen Themen nur mangelhaft zu funktionieren. “Die Zukunft ist weiblich” heißt es in Werbeslogans, aber vor allem ist sie doch eins - unsicher. Das Treffen von Managemententscheidungen unter den Vorzeichen der Unsicherheit stellt für Unternehmer und Manager eine der zentralen Herausforderungen dar. Warum sollte das in der Politik anders sein?

Während wir im Management eine Kultur des Lernens fordern und fast schon wie ein Mantra vor uns hertragen, ist es da nicht auch an der Zeit das laut und deutlich in der Politik zu fordern? Wo zeigt sich die Bereitschaft, hier trotz Unsicherheit Entscheidungen zu treffen, mutig zur naturgemäßen Unwissenheit zu stehen und in der Konsequenz, die Offenheit an den Tag zu legen, über Parteigrenzen hinweg aktiv auf einen Konsens hinzuarbeiten?

Die Bundesrepublik im Jahr 2021 lebt noch immer von der Ära des Wirtschaftswunders. Auch wenn es uns heute fast schon zu Unglaubwürdig klingt, wurden mit dem am Ordoliberalismus und Neoliberalismus die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft geschaffen. 

Bei aller Freude über ein in der Tendenz anhaltendes gesamtwirtschaftliches Wachstum, bleibt jedoch die Frage im Raum: Wo sind die Mikischs und Müller-Armacks unserer Generation? Die Welt hat sich fundamental verändert in den letzten 70 Jahren. Müssen wir das System neu denken? Oder müssen wir “bei der Schaffung des rechtlichen Rahmens” nur bei Strategie, Taktik und Maßnahmen nachschärfen? 

Woran wir sofort etwas ändern sollten? Die Innovatorenquote der kleinen und mittelständigen Unternehmen (KMUs) ist seit 2004 um mehr als 50%, auf ihr Allzeittief gesunken und das trotz weitläufiger Maßnahmen zu deren Unterstützung. Lediglich 19% der inländischen KMUs haben in den letzten drei Jahren eine Innovation auf den Markt gebracht. Dabei machen sie 99,5% der deutschen Unternehmen aus, beschäftigen 57,6% der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer und erzielen 34,4% der Umsätze hierzulande. 

Stetiges Lernen ist hier das Stichwort. Selbst Experten können bei komplexen Vorhaben nur Hypothesen über deren Ausgang treffen. Warum diskutieren sie also mit kaum belegten Behauptungen um eine nicht validierte Lösung zu finden, wo mit günstigen Experimenten im kleinen Maßstab, gezielte und validierte Maßnahmen ergriffen werden können? Selbst wenn sie sich dann hinterher als falsch herausstellen, kann davon gelernt und in agiler Manier ein Pivot eingeleitet werden, ohne hohe Verluste aus zeitlicher, als auch monetärer Sicht, erlitten zu haben.  

Wir sind gespannt wo, wann und wie der Staat Maßnahmen einleitet um agiler zu werden. Die Diskussion hat jedenfalls begonnen!


Quellen

Aus der Praxis-für die Praxis

Aus der Praxis - für die Praxis

In dieser Kategorie möchten wir euch agile Spiele, Simulationen und Warm-ups vorstellen, die wir erfolgreich in der Praxis verprobt haben.

Show and Tell

Warum fühlen sich manche Meetings an wie pure Zeitverschwendung? Jede*r ist mit ihren/seinen Gedanken woanders und die Zusammenarbeit gestaltet sich als äußert schwer. Damit das nicht passiert benutzen wir Opener. Sie helfen den Teilnehmenden sich auf das Meeting zu fokussieren und schaffen idealerweise ein Klima der Offenheit.

Heute geht es um einen in der Praxis sehr beliebten Opener namens „Show and Tell“. Dafür erstellst du einen Kreis mit Post-it; jeder Teilnehmer des Meetings bekommt hier ein Post-it zugewiesen und beschriftet dies mit seinem Namen. In der Mitte des Kreises steht eine frei formulierbare Frage, die die Teilnehmer nacheinander im Uhrzeigersinn beantworten sollen. Ideal dafür sind offene Fragen, deren Beantwortung positive Gefühle bei den Einzelnen wecken.

Diese können sogar noch verstärkt werden indem – wenn du beispielsweise fragst „Wo würdest du jetzt gerne sein?“ – den Teilnehmenden ein paar Minuten gegeben werden, um passende Bilder herauszusuchen.

In Zeiten von Online Meetings kannst du das Ganze auch wunderbar auf virtuellen Whiteboards machen, was das Spiel zu einem wahren Dauerbrenner macht!

Handelsblatt I Stadtwerke 2021

Handelsblatt I Stadtwerke 2021

Die Denker, die Macher und Entscheider der Energiewirtschaft treffen sich nun Digital. Mit unserem Beitrag "Führen auf Distanz" haben wir einen Impulsvortrag gespickt mit Erfahrungen rund um das Thema Remote Work und agile Leadership geleistet.

Es gibt ganz wenige Veranstaltungen in der Energiewirtschaft bei denen gefühlt alle Entscheider zusammenkommen. Eine dieser wenigen ist die ehemalige Stadtwerke Tagung. Das Handelsblatt lädt hier das „Who-is-Who“ der deutschen Energiewirtschaft ein. Gerade deswegen haben wir uns vor einen einigen Wochen enorm gefreut, als wir die Anfrage erhielten, einen Redebeitrag für die Veranstaltung vorzubereiten. Bekanntlich sind unserer Herzensthemen agile Führung und agile Transition. Und so teilten wir unsere Erfahrungen rund um das Thema agile Führung in einem Impulsvortrag von Georgis Tesfamariam.

Geteilt wurden die Herausforderungen von Mitarbeitern, die Perspektive von Führungskräften und die drei zentralen Elemente einer möglichen Antwortstrategie.

Zielorientierung

Neue Rahmenbedingungen und ein verändertes Umfeld erfordern von uns, als moderne Führungskraft, eine veränderte Vorgehensstruktur. Wir empfehlen für jeden Mitarbeiter und/ oder Gruppe, abgeleitet vom Jahresziel, drei Monatsziele einzuführen. Zudem ermöglichen neue Meetingformate mehr Klarheit bei der Aufgabenverteilung und verbindlicheres und direktes Feedback nach erbrachter Leistung für den einzelnen Mitarbeiter. Ergänzend empfehlen wir sichtbare Artefakte zu nutzen, um die Klarheit der neuen Struktur zu unterstreichen - eine visuelle Darstellung der Aufgaben, eine visuelle Darstellung der Ziele.

Zuständigkeit

Einhergehend mit einer Veränderung der Struktur ist es zwingend nötig ein gemeinsames Verständnis für das Arbeiten, den Prozess und den damit verbundenen Vereinbarungen zu finden – genannt Spielregeln. Neue Zeiten erfordern gegebenenfalls neue Rollen. Während die disziplinarische Führung sicherlich bei der Führungskraft liegt, gilt es zu prüfen, ob prozessuale Verantwortung gegebenenfalls an einen Mitarbeiter zu delegieren ist. In dem eben vorgestellten Format im Bereich zwischen Planung, Durchführung und Nachbereitung, ist außerdem zu empfehlen in dem „Planning“ sehr klar die Verantwortlichkeiten zu verordnen. Zusätzlich empfehlen wir am Ende jedes einzelnen Events auf visuelle Weise die Entscheidung festzuhalten und allen Teilnehmern und Mitgliedern der Organisationseinheit zur Verfügung zu stellen.

Zugänglichkeit

Mit die größte Herausforderung stellt die Erreichbarkeit dar. Ein Tipp aus der Praxis könnte eine Sprechstunde der Führungskraft für seine Direct Reports sein. Zudem würden die vorgeschlagenen Check-ins von 15 Minuten Zeitdauer ebenfalls helfen den Informationsaustausch innerhalb der Gruppe oder innerhalb der Abteilung sicherzustellen. Bitte beachten Sie aber, dass Untersuchungen zeigen, dass Mitarbeiter in der Linie häufig zu viele Meetings und zu viele Austauschformate belegen. Und so ein Verhältnis von drei Meetings zu 5 Regelarbeitsstunden sein sollten (3:5 Regeln). Zudem sollte kein Call länger als 45-50 Minuten sein.

Veränderte Führung ist nur eine der Dimensionen, die die Kultur des Unternehmens ausmacht. Sollten Sie sich für das oder weitere Themen rund um das Thema Business Agilität interessieren, besuchen Sie gerne unser kostenfreies Lunch & Learn Event am 04. Mai oder am 11. Mai.